A. Heege u.a.: Keramik aus Bäriswil

Cover
Titel
Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern


Autor(en)
Heege, Andreas; Kistler, Andreas; Thut, Walter
Reihe
Schriften des Bernischen Historischen Museums 10
Erschienen
Bern 2011: Verlag Bernisches Historisches Museum
Anzahl Seiten
306 S.
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christoph Messerli

Die vorliegende Publikation erschien 2011 als zehnter Band in der Reihe Schriften des Bernischen Historischen Museums. Im Unterschied zum achten Band der gleichnamigen Reihe mit dem Titel Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern von Adriano Boschetti-Maradi konzentriert sich das vorliegende Werk ausschliesslich auf den geografischen Raum um Bäriswil. Zusammen mit seinen beiden Mitautoren Andreas Kistler und Walter Thut verdanken wir dem Archäologen und Keramikspezialisten Andreas Heege einen der wertvollsten Beiträge zur Berner Keramik des 18./19. Jahrhunderts. Dank namhafter Sponsoren ist dieser festliche Band anlässlich des 1150-Jahre-Jubiläums der Gemeinde Bäriswil erschienen. Beim ersten neugierigen Durchblättern dieses Buches überrascht die Vielzahl äusserst qualitätsvoller Farbabbildungen. Allein die ästhetisch ansprechende Buchgestaltung evoziert sowohl bei einem Laien- als auch bei einem Fachpublikum das nötige Interesse, sich mit der prachtvollen Bäriswiler Keramik näher auseinanderzusetzen.

Es ist Andreas Heege gelungen, insgesamt 333 dieser kostbaren Keramiken aus Museumsbeständen, Auktionshäusern und Privatsammlungen in einem einzigartigen Werkkatalog zu erfassen. Obwohl dieser umfangreiche Katalog unmissverständlich das Herzstück dieser Publikation bildet, wäre es vermessen, die Bedeutung dieses historisch wertvollen Bandes auf dessen Werkschau zu reduzieren. Unter Zunahme von Kartierungen, Handschriften, Drucksachen etc. bilden die zahlreichen fotografierten Stücke die Grundlage der eigentlichen historisch-keramischen Forschung. Der Band gliedert sich in vier übergeordnete Hauptkapitel:
Die ersten zwei Kapitel befassen sich mit der Forschungsgeschichte der Bäriswiler Hafnerei und dem allgemeinen keramischen Gewerbe im Kanton Bern seit der Frühen Neuzeit.

Das dritte Kapitel beinhaltet die äusserst sorgfältig recherchierten archivalisch-genealogischen Forschungsergebnisse zu den Hafnerfamilien Kräuchi, Kläy und Witschi.

Die Anfänge der Keramikproduktion in Bäriswil gehen auf Jakob Kräuchi (geb. 1731) zurück, welcher 1758 seine Werkstatt mit dem eigenen Brennofen in Betrieb nahm.

Die Familiendynastie Kräuchi teilte sich im 18. Jahrhundert in mindestens drei nicht unmittelbar miteinander verwandte Familienzweige. Aus diesen entstammten sowohl der erste wie auch der letzte Hafner. Die noch heute in Bäriswil existierende Röhrenhütte war einst im Besitz der Familie Witschi, welche bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts die tönernen Drainagerohre produzierte. Damit die teils komplexen genealogischen Verwandtschaftsbezüge der Hafnerfamilien für die Leserschaft besser nachvollziehbar sind, befindet sich in den jeweiligen Kapiteln ein Stammbaum.

Anschliessend an diese einführenden Teile folgt das letzte grosse Hauptkapitel zur Bäriswiler Keramik. Im 18. Jahrhundert lässt sich im Kanton Bern eine Vielzahl grösserer und kleinerer Hafnereibetriebe historisch nachweisen. Zu den bedeutendsten und einflussreichsten Herstellungszentren zählten Blankenburg, Langnau, Heimberg und Bäriswil. Das Luxusgeschirr aus Bäriswil unterscheidet sich zu demjenigen aus Langnau und Heimberg durch seine weisse Grundengobe mit der schmucken Malerei und der feinen, manganvioletten Frakturschrift. Entgegen der älteren Auffassung handelt es sich bei der Bäriswiler Keramik grösstenteils um bleiglasierte Irdenware und nur bei wenigen, spezifischen Formtypen um zinnglasierte Fayence. Obwohl sich sämtliche dieser handgedrehten Einzelstücke durch ihre exquisite Pinsel- oder Gänsefederbemalung auszeichnen, befindet sich auf keiner der aufgeführten Keramiken eine Erzeugersignatur. Die Verortung der Keramiken nach Bäriswil erfolgt daher über lokaltypische Kriterien in Bezug auf die technische Herstellung, die Verarbeitung, die Formtypologie und nicht zuletzt über das stilistisch ausgeprägte Maldekor. Anhand konkreter Gegenüberstellungen mit Stücken aus Blankenburg, Langnau und Heimberg ist es dem Autor gelungen, die Bäriswiler Keramik als stilistisch eigenständige Produktion neu zu definieren. Um den für Bäriswil typischen Muster- und Dekorationskanon im Stil des ländlichen Rokoko gezielt hervorzuheben, wird die Entwicklung der Stilelemente anhand spezifischer Dekorationselemente eingehend kommentiert. Dieses umfassende Kapitel ist durch den gruppenweisen Zusammenzug verschiedenster Sujets, wie zum Beispiel das Farnkrautdekor, die Nelkenbouquets, die Rocailles, das Figurenprogramm mit einem «Musterbuch» vergleichbar. Ähnlich verhält es sich mit dem umfassenden, über 80 - seitigen Katalog der bis dahin bekannten Keramiken.

Der Autor bespricht jede dieser 333 Keramiken äusserst fundiert und eingehend. Die Stücke werden in klar definierte Gebrauchs- und Formgruppen – wie beispielsweise Rasierbecken, Schüsseln, Teller, Terrinen, Tintengeschirre, Teekannen etc. – zusammengefasst.

In wieweit dieser hervorragende Band dazu beiträgt, bernisches Kulturgut zu bewahren, lässt sich anhand eines konkreten Beispiels leicht nachvollziehen: Wenige Monate nach dem Erscheinen der vorliegenden Publikation tauchte in einem ländlichen Berner Haushalt ein von den Besitzern verkanntes Bäriswiler Rasierbecken auf.

Mithilfe dieser umfassenden Publikation konnte das mittlerweile über 200-jährige Stück genauestens verifiziert werden, entkam damit seinem Verderben und erhielt somit wieder seine adäquate Wertschätzung. Wenn sich eine Publikation nebst ihrem hohen wissenschaftlichen Wert im Sinne der Erhaltung unserer Kulturgüter als präventiv nützlich erweist, verdient sie das Prädikat ausgezeichnet.

Zitierweise:
Christoph Messerli: Rezension zu: Heege, Andreas; Kistler, Andreas; Thut, Walter: Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern. Bern: Verlag Bernisches Historisches Museum 2011. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 58-60.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 58-60.

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